Bergbau, Zechen, Kohlenzeitalter

Mit dem Abteufen des Schachtes I der Zeche Nordstern in den 1850er Jahren hält der Bergbau Einzug in den Landkreis Recklinghausen, eine bis zu diesem Zeitpunkt rein landwirtschaftlich bewirtschaftete Region. Spätestens mit der Inbetriebnahme des Bergwerkes im Jahr 1867 gewinnt der Kohlenbergbau in der Region an Bedeutung.

Die reichen Kohlevorkommen sorgen für einen schnellen Aufschwung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen rapiden Anstieg der Bevölkerungszahl im ausgehenden 19. Jahrhundert. Nach der Erschließung der Grubenfelder der Zechen Ewald, König-Ludwig und Schlägel und Eisen strömen Hunderte Arbeitskräfte in die Region, darunter vor allem Arbeiter aus den östlichen Provinzen. Nach einem Konjunkturtief zwischen 1873 und 1887 ging es mit der Kohlewirtschaft kontinuierlich bergauf.

Das rapide Bevölkerungswachstum im Kreisgebiet steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der Zechen. Zwischen 1895 und 1910 verdoppeln sich die Zechenbelegschaften und Gesamtbevölkerung des Kreises gleichermaßen. Zählte der Kreis Recklinghausen zu seiner Gründungszeit im Jahr 1816 noch etwa 38.400 Einwohner, so leben im Jahr 1928 bereits 166.000 Menschen im Kreisgebiet. Um diese neuen Arbeitskräfte unterzubringen, lassen die Zechen große Arbeiterkolonien errichten. Sie bauen fast ausschließlich Einfamilienhäuser mit einem Stück Gartenland, um die Sesshaftigkeit der Neusiedler zu fördern. So bleibt der Kreis von den großen Mietskasernen früherer Zeiten verschont.

Im ersten und zweiten Weltkrieg werden das Ruhrgebiet und damit auch die Emscher-Lippe-Region zur Waffenschmiede Deutschlands. Besonders im Bereich der Kohlechemie wird die Region in der NS-Zeit unentbehrlich für die Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Das Ende des zweiten Weltkriegs sorgt erst einmal auch für einen Rückgang der Kohleförderung. Ab 1948 wird die Verteilung von Kohle und Koks von den Alliierten kontrolliert. In den Nachkriegsjahren erlebt die Kohlenindustrie schließlich einen erneuten Aufschwung. 1950 fördern etwa eine halbe Million Bergleute mehr als 100 Millionen Tonnen Kohle, 1958 wird die Menge noch einmal auf 125 Millionen Tonnen erhöht.

Dass diese stark einseitig vom Bergbau bestimmte Wechselwirkung von Wirtschaftswachstum und Bevölkerung Gefahren für den noch jungen und nun hochindustrialisierten Wirtschaftsraum birgt, liegt auf der Hand. Die Konjunktur- und Strukturkrise trifft das Ruhrgebiet und damit auch den Landkreis Recklinghausen in den 1960er Jahren besonders schwer. Bis 1964 werden 31 Großzechen geschlossen.

Von der Krise erholt sich die Region nie mehr vollständig. 1968/69 wird die Ruhrkohle AG (RAG) gegründet. In den 1970er Jahren werden Zechenanlagen zusammengeschlossen und ihre Förderung gedrosselt. Die Zahl der Bergleute sinkt auf 200.000 ab. Die Konzentration liegt nun weniger auf dem Abbau von Kohle als auf der Bergbauforschung, Bergbautechnik und Kohleveredelung.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts werden immer mehr Zechen stillgelegt und die Fördermengen weiter reduziert. 2002 sind noch sieben Bergwerke in Betrieb. Am 18. Dezember 2015 wird auf der Zeche Auguste Victoria in Marl die letzte Schicht gefahren. Die Schließung der letzten Zeche im Kreisgebiet markiert das endgültige Ende des Kohlenbergbaus in der Emscher-Lippe-Region. Mit der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop wird voraussichtlich im Jahr 2018 auch die letzte Zeche im Ruhrgebiet schließen.